Hallo,
das Thema ist eine Neverending-Story und an einige Bedingungen geknüpft. Ausserdem wird nur die Wohlverhaltensphase verkürzt bei entsprechender Quotenzahlung.(Gilt nicht für schon laufende Verfahren) Otto Normalinsolvenzler wird da in der Regel kaum in den Genuß kommen,woher soll auch das Geld kommen? Es ist leider nicht so, daß generell das Insoverfahren verkürzt werden soll, wobei dort dringender Reformbedarf ist...
Wieder eine typisch deutsche Wischi-Waschi-Lösung, die das Thema nicht generell angeht, sondern "Nischenlösungen" vorschlägt...von der die Mehrheit der Betroffenen nichts hat....
Wer will kann sich in das Thema einlesen:
Februar 2011] In ihrer am 22.02.2011 gehaltenen Rede zum Thema „Gesetzgeberische Schritte zu einem modernen Insolvenzrecht – Reformbedarf und Reformvorhaben in der Diskussion“ auf dem Symposium des Instituts der Wirtschaftsprüfer nahm Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erneut Stellung zur Frage der Abkürzung der Insolvenz auf drei Jahre. Da uns zwischenzeitig mehrere Anfragen diesbzgl. zugegangen sind, möchten wir nochmals (siehe bereits unseren Artikel Reformbedarf Privatinsolvenz) vom gegenwärtigen Stand der Dinge berichten. Eines kann man vorwegnehmen: Wie (und wann) die geplante Verkürzung geregelt wird, weiß derzeit niemand außerhalb des Bundesministeriums der Justiz (BMJ). Die allgemein gehaltenen offiziellen Äußerungen zum Thema lassen aber zumindest einige Schlüsse darauf zu, wie die angekündigte Regelung wahrscheinlich aussehen wird. Dies ist das Thema unseres Artikels.
I. Kurze Geschichte der Ankündigungen
Die Pläne zur Verkürzung der Wohlverhaltensphase von derzeit sechs auf drei Jahre folgen einer Absichtserklärung des Koalitionsvertrags (PDF). Zur Umsetzung äußerte sich die Bundesjustizministerin – nach Ihrer Ankündigung vor dem Deutschen Bundestag vom 19.01.2010 (PDF) – dezidierter schon in ihrer Rede vor dem 7. Deutschen Insolvenzrechtstag der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht am 17.03.2010 (lies Webseite | PDF sowie unseren Artikel hierzu). Ebenso wie in dieser Rede fand auch in ihrer jüngsten Stellungnahme vom 22.02.2011 die Frage der “Insolvenzverkürzung” nur am Rande statt; beide Male stand schon quantitativ der Änderungsbedarf zur Sanierung von Unternehmen deutlich im Vordergrund.
Nachfolgend stellen wir den Verlauf der Verlautbarungen zur geplanten Verkürzung der Restschuldbefreiung in zeitlicher Reihenfolge dar:
1.) Zielbestimmung im Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode vom 26.10.2009
Im Koalitionsvertrag (PDF) finden sich mehrere Zielsetzungen für die Reform des Insolvenzrechts.* Bezüglich der Insolvenzverkürzung finden sich nur zwei Sätze:
Wir wollen Gründern nach einem Fehlstart eine zweite Chance eröffnen. Dazu wird die Zeit der Restschuldbefreiung auf drei Jahre halbiert. Koalitionsvertrag, S. 25
Interessant daran ist, dass diese Verkürzungsabsicht ohne jede Einschränkung versehen wurde. Ebenfalls interessant ist, dass sich der zitierte Passus nicht etwa unter dem Abschnitt “Reform des Insolvenzrechts” (S. 18), sondern dem Abschnitt “Gründerland Deutschland” findet, der wiederum Teil des Programms zur “Förderung des Mittelstands” ist. Auch sprachlich weist die Absichtserklärung durch die Kondition “dazu” (= zu diesem Zweck) darauf hin, dass die Verkürzung ausschließlich das Ziel verfolgt, gescheiterten Selbständigen einen Neuanfang zu ermöglichen. Dieses Motiv zeigt vor allem, dass die Verkürzung nicht als strukturell notwendig, sondern als eine politisch inspirierte “Morgengabe” verstanden wird. Aus dieser Motivation lässt sich mit etwas “Phantasie” (der Wortlaut selbst lässt dies nicht zu) sogar schlussfolgern, dass eine allgemeine Verkürzung ohne Einschränkungen schon hier nicht gemeint war, denn den Koalitionären muss aufgefallen sein, dass eine Erleichterung für eine bestimmte Zielgruppe auch Wirkung für alle übrigen Insolvenzerfahren (das ist die Mehrzahl) entfalten muss. Dies legt es nahe, Beschränkungen dieser Wirkung als notwendigen Bestandteil einer derartigen Gesetzesänderung zu implizieren.
2.) Die Rede der Bundesjustizministerin vor dem Deutschen Bundestag vom 19.01.2010
Auf den ersten Blick gab die Bundesministerin in ihrer Rede vom 19.01.2010 (PDF)** lediglich die Absichtserklärung des Koalitionsvertrages wieder; eine inhaltliche Erweiterung ist an dieser Stelle noch nicht zu erkennen. Bis auf ein - nicht unwichtiges – Detail: Zwar erwähnte die Ministerin erneut das im Koalitionsvertrag verankerte Motiv für die Gesetzesänderung (“zweite Chance” für Selbständige). Allerdings hat dies hier – zumindest sprachlich – nur noch die Bedeutung eines Beispiels (“nicht zuletzt”) für eine offenbar generell als notwendig verstandene Gesetzesänderung:
Außerdem werden wir die Regelung zur Restschuldbefreiung ändern und die Wohlverhaltenszeit auf drei Jahre halbieren. Das soll ein Signal sein. Nicht zuletzt Gründer sollen nach einem Fehlstart eine zweite Chance bekommen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 19.01.2010
Es mag zwar nicht hinreichend sein, allein aus der sprachlichen Wiedergabe einen Begründungswechsel herzuleiten. Denn es ist natürlich nicht auszuschließen, dass es sich lediglich um eine unsaubere Formulierung handelt. Allerdings fällt auf, dass die im Koalitionsvertrag benannte Motivation auch in den folgenden Verlautbarungen des Bundesjustizministeriums ihre Singularität verliert. In ihrer Rede vom 22.02.2011 (siehe unter I. 5.) wird die Bundesjustizministerin ausdrücklich klarstellen, dass es das Ziel ist, durch die Verkürzung der Restschuldbefreiung “Gründer(n), aber auch überschuldete(n) Verbraucher(n) schneller eine zweite Chance” zu geben (Hervorhebung durch uns).
3.) Die Rede der Bundesjustizministerin beim Insolvenzrechtstag vom 17.03.2010
In ihrer Rede vom 17.03.2010 (Webseite | PDF) machte die Bundesministerin erstmals deutlich, dass mit der im Koalitionsvertrag avisierten Verfahrensverkürzung nicht eine bloße (“absolute”) Abkürzung des bisherigen Verfahrens gemeint ist. Damit war nunmehr klargestellt, dass eine generelle Verfahrensverkürzung nicht Ziel der geplanten Gesetzesänderung ist. Der betreffende Abschnitt dieser Rede lautet:
Natürlich werden dabei einige Folgeänderungen zu bedenken sein. Es ist nicht damit getan, die Zahl “sechs” durch die Zahl “drei” zu ersetzen. [...] Vor allem aber müssen wir bei den Änderungen die Rechte der Gläubiger wahren [...] Wir prüfen daher, ob die Restschuldbefreiung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden soll, etwa die Erfüllung einer Mindestbefriedigungsquote oder die Deckung der Verfahrenskosten. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 17.03.2010
4.) Die Rede der Ministerialdirigentin Graf-Schlicker vom 05.11.2010
Dass das Bundesministerium der Justiz (BMJ) “zusätzliche Voraussetzungen” als unabdingbar für die Verkürzung der Verfahrensdauer ansieht und hierfür eine Mindestquotenregelung favorisiert, lässt sich auch der Rede der Ministerialdirigentin im BMJ Marie Luise Graf-Schlicker auf dem 1. Deutschen Privatinsolvenztag in München vom 05.11.10 entnehmen.*** In dieser Rede bekräftigte das BMJ mit dem Verweis auf die gravierenden Folgen für die Grundrechte der Gläubiger, es werde keine absolute Verringerung der Verfahrensdauer geben. Die Verkürzung soll vielmehr (jeweils) an Gegenleistungen der Schuldner geknüpft werden. Diesbzgl. wies Graf-Schlicker auf die Regelungen im österreichischen Recht hin. Frank Beck hat daraus in seinem Bericht vom 1. Privatinsolvenztag (“Abkürzung der Verfahrensdauer auf 3 Jahre in weite Ferne gerückt”) gefolgert:
Der Hinweis auf die Mindestquoten nach österreichischem Recht lässt den Schluss zu, dass die Erfüllung einer Mindestquote Voraussetzung für die Abkürzung auf drei Jahre werden wird. Frank Beck zur Rede von Marie Luise Graf-Schlicker vom 05.11.2010
5.) Die Rede der Bundesjustizministerin vom 22.02.2011
Die jüngste Rede der Bundesministerin vom 22.02.2011 auf dem Symposium des Instituts der Wirtschaftsprüfer zum Thema “Insolvenzrechtsänderungen” bestätigt diese Annahme. Die entscheidende Stelle der Rede lautet:
…bin ich auch der Meinung, dass die Verkürzung der Restschuldbefreiungsdauer nicht „zum Nulltarif“ erfolgen darf. Eine bloße Abkürzung der Laufzeit der Abtretungserklärung auf drei Jahre wäre ein gravierender Eingriff in das Eigentumsrecht der Gläubiger. Ich denke, dass die Halbierung der Restschuldbefreiungsdauer an gewisse Vorleistungen des Schuldners geknüpft werden sollte. So könnte zum Beispiel nur derjenige Schuldner eine vorzeitige Restschuldbefreiung erhalten, der nach drei Jahren eine bestimmte Mindestbefriedigungsquote erfüllt hat. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 22.02.2011
Weiter heißt es in dieser Rede:
Die Betroffenen sollen möglichst zügig einen Weg zurück in die Schuldenfreiheit und damit in die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr beschreiten können. Der Koalitionsvertrag sieht – wie Sie alle wissen – vor, die Dauer der Restschuldbefreiung von derzeit sechs auf drei Jahre zu verkürzen. Hierdurch sollen Gründer, aber auch überschuldete Verbraucher schneller eine zweite Chance erhalten. Ich bin überzeugt davon, dass die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens eine sinnvolle Maßnahme ist, um Neugründungen zu fördern und verschuldeten Personen einen Wiedereinstieg ins produktive Wirtschaftsleben zu erleichtern. Allerdings müssen wir bei jeder Verkürzung der Wohlverhaltensperiode auch die Interessen der Gläubiger im Auge behalten. Es wird bereits die Befürchtung geäußert, dass sich bei einer solch drastischen Verkürzung der Abtretungsfrist die Zahlungsmoral der Schuldner dramatisch verschlechtern wird. Dies könnte sich letztlich auch auf Kreditvergaben auswirken. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 22.02.2011
Fazit: Hoffnungen auf eine baldige Änderung der Verfahrensdauer sind derzeit (noch) unbegründet. Der gegenwärtige Stand des Gesetzgebungsverfahrens macht jedenfalls eine Umsetzung in allernächster Zukunft nicht wahrscheinlich. Während in der Rede der Ministerialdirigentin Graf-Schlicker am 05.11.10 von einem Änderungsvorschlag zur Verbraucherinsolvenz Anfang des Jahres 2011 die Rede gewesen sein soll****, spiegelt die neueste Rede der Justizministerin nicht sehr viel mehr als den bereits im März 2010 deutlich gewordenen “Ideenstand” wider. Allerdings darf aus den bislang bekannt gewordenen Stellungnahmen als gesichert abgeleitet werden, dass die Bundesregierung auf das Pferd “Mindestquote” setzen will, auch wenn das in allen benannten Äußerungen bislang immer nur als eine Möglichkeit vorgetragen wurde. Denn auffällig ist, dass eine bloße (“absolute”) Verkürzung schon seit 2010 als ausgeschlossen gelten darf und Alternativen für die Mindestquote in der aktuellen Diskussion weder thematisiert noch verfolgt zu werden scheinen (eine Alternative wurde nur einmal überhaupt erwähnt und zwar in Rede der Bundesministerin vom 17.03.10: “Mindestbefriedigungsquote oder die Deckung der Verfahrenskosten” [Hervorhebung durch uns], siehe Zitat oben sub I. 3).
Gruß,
Doktor Mabuse